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Faktenwissen

Vogelfeder und Vogelflug durch die Brille des Kreationismus

Ein Kommentar zu: 'Wort und Wissen' Special paper B-17-11)


Wort und Wissen

Bei dem Ende 2017 erschienenen "Special Paper" zur Evolution des Vogelflugs handelt es sich um eine Fleißarbeit, die auf 117 Seiten eine Vielzahl von Informationen bietet. Thematisch spannt es den Bogen von der Anatomie und Physiologie der Vogelfeder über historische und neue Hypothesen zur evolutionären Entstehung von Federn und Vogelflug bis zu grundsätzlichen Überlegungen zur Methode der Modellbildung in der biologischen Evolution. Der Zweck des Papiers ist, mit der von WORT UND WISSEN bekannten argumentativen Strategie die Evolution von Vogelfeder und Vogelflug als unwahrscheinlich darzustellen. Die funktionell-morphologischen Zusammenhänge werden in Belege für ihren Kreationismus - genau genommen für "Intelligent Design" - umgemünzt. Diese Zielsetzung wird bereits in der Einleitung (S.4) formuliert:

"Die Möglichkeit einer Schöpfung – einer willentlichen, zielorientierten Hervorbringung durch einen geistbegabten Schöpfer – kann nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Die Festlegung auf den naturalistischen Ansatz, wonach nur Naturgesetze, Zufall und plausible Randbedingungen in Erklärungen zugelassen, ist wissenschaftstheoretisch nicht zu rechtfertigen und führt zu Zirkelschlüssen. Zahlreiche Befunde im Bau von Federn und in der Fossilüberlieferung sowie das nachhaltige Scheitern naturalistischer Entstehungshypothesen zur Entstehung von Vogelfeder und Vogelflug können als Indizien für einen Schöpfer gewertet werden."

Bemängeln als Grundton

Ein Merkmal der Argumentationsstrategie wird schnell offensichtlich: Eingestreut in die lexikalische Darstellung von Daten, Methoden und Theorien finden sich Bemerkungen dergestalt, dass eine komplizierte Struktur nicht überzeugend evolutionär ableitbar und eine hypothetische evolutionäre Entwicklung nicht zu belegen sei. Die Evolution der betreffenden Strukturen sei deshalb methodisch wie inhaltlich fragwürdig. Manche dieser Anmerkungen sind schon auf den ersten Blick abwegig, wie etwa auf S.32 die Feststellung, dass ein fossil bekannter Dinosaurier wegen seiner beachtlichen Größe "für eine stammesgeschichtliche Verbindung mit Vögeln … völlig ungeeignet" sei. Diese Behauptung zielt nicht auf die Fakten, sondern auf die Intuition von Laien, die sich eine Abstammungsbeziehung von einem tonnenschweren Theropoden zu einer Blaumeise schwer vorstellen können. Zu fossilen Indizien für die Entstehung der Vogelfeder wird im Fazit JUNKERs gesagt:

"Die größte Vielfalt an unterschiedlichen, z. T. heute nicht mehr vorkommenden Integumentanhängen (Dino-Flaum, bandartige Federn, Konturfedern) ist entgegen der evolutionären Logik gerade zu Beginn der fossilen Überlieferung der betreffenden Formen verwirklicht."

Sollte der Befund so sein wie behauptet, stünde dem keinerlei evolutionäre Logik entgegen (falls damit theoretische Schwierigkeiten gemeint sind). Er spräche eher für als gegen eine stammesgeschichtliche Ableitung der Vogelfeder von solchen Integumenten.

Unsachgemäße Kritik tritt immer dann gehäuft auf, wenn JUNKER die Hypothese diskutiert, dass der aktive Vogelflug sich bei gleitfliegenden, baumbewohnenden Theropoda entwickelt habe. Da diese Hypothese viel für sich hat (JUNKER zitiert die entsprechende Literatur selbst), wirken die in Tab.2 aufgelisteten Gegenargumente an den Haaren herbeigezogen.

Zum Beispiel liest man dort: "Gleitflug ist eher ein gegenüber dem Schlagflug abgeleitetes Verhalten." Angesichts der Tatsache, dass es zahlreiche Wirbeltiergruppen gibt, die konvergent zu Gleitfliegern wurden und von denen keine aktiv flugfähige Vorfahren hat, ist diese Aussage mehr als irreführend. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass gleitfähige, kleine Theropoden aktiv fliegende Vorfahren hatten. Die einzige Begründung, die sich im Text findet, lautet, dass sich unter den aktiv fliegenden Vögeln einige Gruppen auf den Gleit- und Segelflug spezialisierten, ohne die aktive Flugfähigkeit aufzugeben.

Richtig ist, dass segelfliegende Vögel auch gleiten, das heißt passiv in einem flachen Winkel abwärts segeln können. Von einem aus dem Schlagflug "abgeleiteten" Verhalten zu sprechen, ist so unsinnig wie zu behaupten, der vierfüßige Gang sei gegenüber dem aufrechten Gang des Menschen ein evolutionär abgeleitetes Verhalten, weil Menschen (wenn es sein muss) sich auch auf allen Vieren fortbewegen können.

JUNKER nimmt dieses Argument selbst nicht ernst, denn ansonsten argumentiert er umgekehrt, nämlich dass sich aus dem Gleitflug der aktive Flug nicht habe entwickeln können. Unter anderem dient dem ein Argument, das lautet: "Bereits Gleitflug benötigt Kontrollmechanismen." Dass das Gleiten bestimmte motorische Fähigkeiten erfordert, ist selbstverständlich, die übrigens bereits für Baumbewohner erforderlich sind, die aktive Sprünge im Geäst ausführen. Doch warum sollte ein noch sehr rudimentärer Gleitflug Kontrollmechanismen benötigen, die über das hinausgehen, was bereits im Verhaltensrepertoire der Theropoden angelegt ist? Menschen sind keine Flieger, stammen aber von baumbewohnenden Primaten ab: Sie können problemlos lernen, mit Gleitschirmen und Drachen umzugehen, ohne dass dafür neue Hirnstrukturen nötig wären. Nichts spricht gegen eine Entwicklung von sprungfähigen Baumbewohnern zu Gleitfliegern und, über weitere funktionale Stufen, zum aktiven Flug.

Warum die Kritik nicht an den Fundamenten der Evolutionstheorie rüttelt

JUNKERs Strategie des Bemängelns zeichnet sich ebenfalls dadurch aus, kritische Zitate zu nahezu jedem Befund und jeder Hypothese wiederzugeben, die vermutlich oft nicht der Intention des jeweiligen Autors entsprechen. Schon in der Einleitung (S.3) wird behauptet, dass in der Literatur der angeblich falsche Eindruck erweckt würde, als sei "mit den zahlreichen Funden 'befiederter' Dinosaurier der evolutive Weg zur Vogelfeder und zum Vogelflug in Grundzügen geklärt." Manchmal sind die Feststellungen auch subtiler. Auf S.14 heißt es zur Vogelfeder:

"Aufgrund der zahlreichen nur für die Flugfähigkeit gleichzeitig erforderlichen Voraussetzungen kann man daher im Falle von Vogelfedern (inklusive ihrer Verankerung und Steuerung) in gewissem Sinne von 'nichtreduzierbarer Komplexität' sprechen."

Richtig, in gewissem Sinn kann man das. Aber "nichtreduzierbare Komplexität" ist ein Schlüsselbegriff der Bewegung für ein "intelligentes Design", was JUNKER natürlich weiß. Und im Sinn dieser Bewegung, nämlich im Sinn eines Arguments gegen eine natürliche Evolution (oder gar gegen die stammesgeschichtliche Ableitung der Vögel aus der Gruppe der Theropoden, was JUNKERs weltanschaulicher Agenda entspricht), gibt die nichtreduzierbare Komplexität der Vogelfeder nichts her.

Das Kritisieren von Details evolutionsbiologischer Erklärungen zur Herkunft des Vogelflugs und das Bestreiten der Ableitbarkeit der Vogelfelder von Integumentanhängen theropoder Raubsaurier ist schon im Grundsatz müßig: Die Vögel sind allein schon anatomisch wie morphologisch von bestimmten Coelurosauriern ableitbar! Ihre Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (die heute nur noch von wenigen Experten bestritten wird) war schon belegt, lange bevor man Ende der 1990er Jahre die ersten befiederten Raubsaurier entdeckte. Diese Entdeckung war nur ein weiteres, sehr schönes Indiz für die Abstammung der Vögel von bestimmten Coelurosauriern. Vor diesem Hintergrund bekommt JUNKERs Fleißarbeit den Charakter einer Nebelkerze; bestenfalls handelt es sich um eine Übung in Irrelevanz.

Im Übrigen ergibt sich die ständig eingestreute, grundsätzliche Evolutionskritik weder aus den referierten Daten noch aus den methodischen und theoretischen Überlegungen. Auf S.4 heißt es zum Beispiel, es sei "im Wesentlichen ungeklärt, wie flugtaugliche Federn allein durch zukunftsblinde Variation und Selektion und andere rein natürliche Prozesse entstanden sein könnten." Die Frage mag ungeklärt sein oder auch nicht. Wenn der Autor aber behauptet, dass daraus folgt, sie könnten nicht durch natürliche Prozesse entstehen, schließt er das nicht aus diesem Forschungsstand, sondern aus seiner kreationistischen Grundüberzeugung.

Das "Telos" in der Natur und JUNKERs "Sherlock-Holmes-Fehlschluss"

JUNKER betont sinngemäß immer wieder, die Strukturen der Vogelfeder und des Vogelflugs würden auf ein sinngebendes "Telos" hinwiesen. Diese sähen aus als seien sie auf ein bestimmtes Ziel hin erschaffen worden. Damit ist, so glaubt er, der Schluss auf Design naheliegend. Würde sich dann noch herausstellen, dass sich die betreffenden Merkmale einer evolutionsbiologischen Erklärung hartnäckig verweigern, wäre der Schluss auf Design die plausibelste Erklärung. Tatsächlich stellt er "das nachhaltige Scheitern naturalistischer Entstehungshypothesen" bereits in der Einleitung fest.

Nehmen wir pro forma einmal an, es gäbe dieses Telos in der Natur, und alle evolutionsbiologischen Erklärungen wären als gescheitert zu betrachten. Würde dies das Handeln eines intelligenten Planers in der Welt plausibel machen? Nein! Das Telos könnte genauso gut eine in den Naturgesetzen wirkende "kosmische Drift" verkörpern, die sich nicht notwendigerweise natürlich erklären ließe, die aber auch nicht mit natürlichen (innerweltlichen) Erklärungen in Konflikt geraten würde. Die "morphischen Felder" von Rupert SHELDRAKE, die Ontologie Teilhard DE CHARDINs und die Prozesstheologie von Alfred North WHITEHEAD sind Beispiele die zeigen, dass kein "intelligenter Designer" als Alternative zu natürlichen Prozessen in Betracht kommen muss. Und auch das Spektrum natürlicher Erklärungen wäre beileibe noch nicht ausgeschöpft - es kämen neben bestimmten evolutiven (Erklärungs-) Modi noch andere evolutive Faktoren (oder gänzlich andere natürliche Erklärungen) in Betracht.

JUNKER begeht also den immer gleichen Denkfehler, der darin besteht, aus dem (vermeintlichen!) Scheitern evolutiver Erklärungen auf die Plausibilität eines in der Welt des Lebendigen handelnden intelligenten Schöpfers zu schließen. Dies entspricht dem so genannten "Sherlock-Holmes-Fehlschluss". So hatte der geniale Detektiv sein Arbeitsmotto einst wie folgt umschrieben:

"Wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat, muss das, was übrig bleibt, die Wahrheit sein, so unwahrscheinlich sie auch klingen mag."

Der Schluss auf "geistige Verursachung" als vermeintlich beste Erklärung setzt also voraus, dass sämtliche natürlichen und ontologischen Alternativen bekannt sind und (bis auf "Intelligent Design") für unplausibel befunden wurden. Aus erkenntnistheoretischen Gründen ist dies nicht ansatzweise leistbar. Wenn keine anderen Gründe für einen Täter sprechen als das Ausschließen einer Reihe von anderen Verdächtigen, dann stellt das ein dürftiges Plausibilitätsargument dar.

Die Wissenschaft ist aus methodologischen Gründen darauf angewiesen, erst einmal den Naturalismus ("In der Natur geht alles mit rechten Dingen zu") gründlich auszuschöpfen, bevor sie sich mit numinosen "Designern" beschäftigen kann, deren Existenz und Wirken so unbekannt wie unerforschlich ist. Und entgegen JUNKER ist es um die evolutiven Hypothesen, die er in martialischem Grundton als "gescheitert" abqualifiziert, nicht annähernd so schlecht bestellt, wie er den Eindruck erweckt. Sie erfüllen nur seine überzogenen Anforderungen an das, was als Erklärung zu gelten habe, nicht (siehe unten).

Psychologisch ist JUNKERs Strategie nachvollziehbar: Wäre es denn angesichts der verwirrenden Hypothesen der Paläontologie nicht besser, eine gleichzeitig einfache und vollständige Erklärung für Vogelfedern und Vogelflug zu haben, nämlich "geistige Verursachung" bzw. "intelligentes Design"? So will er es dem Leser nahelegen. Aber was psychologisch attraktiv ist, kann, wie wir alle wissen, vollständig falsch und hoffnungslos unlogisch sein.

Das Argument hält auch nur so lange, bis eine gute naturwissenschaftliche Erklärung vorliegt. Der Kreationismus wechselt deshalb ständig die Themen, mit denen er seine Evolutionskritik anschaulich macht. Beim Autor kamen bereits der Schildkrötenpanzer und der Flug der Fledertiere vor, zwei evolutionäre Innovationen mit ähnlicher Tragweite wie der Vogelflug. Bei anderen Autoren waren es die Evolution der Wale, der Übergang vom Wasser- zum Landleben bei den Wirbeltieren usw. - jeweils bis die Forschung soweit war, die offenen Fragen zu klären.

Ein methodologischer Irrweg

Das wissenschaftstheoretische Standardargument von WORT UND WISSEN lautet, dass intelligentes Design "durch einen geistbegabten Schöpfer" eine mögliche wissenschaftliche Erklärung für Merkmale von Lebewesen (oder andere Naturphänomene) sei, die ebenso zu behandeln bzw. in Betracht zu ziehen sei wie natürliche (biologische) "Ursprungstheorien". Sie werde lediglich durch eine ideologische Einengung der Forschung ausgeschlossen. Auf S.85 ff wird dieses Argument erläutert:

"Erklärungen im Rahmen des Naturalismus können lediglich auf drei Faktoren Bezug nehmen: Naturgesetze, (statistisch qualifizierter!) Zufall und plausible Randbedingungen. Jedwede Form eines zielorientierten Eingreifens, von Zwecksetzungen und von einer überlegten Wahl der eingesetzten Mittel werden nicht berücksichtigt."

Wissenschaftstheoretisch ist diese Beschreibung der naturwissenschaftlichen Methode unzureichend und müsste reformuliert werden. Aber es kommt darauf nicht an, denn es trifft im Prinzip zu, dass die Methodologie der Naturwissenschaften – unabhängig von der weltanschaulichen Position der Forschenden – keine hypothetischen Ursachen und keine theoretischen Konzepte zulässt, die nicht zur zu beschreibenden bzw. zu erklärenden Natur gehören.

JUNKER unterstellt sinngemäß, dass dieser (häufig etwas unscharf sogenannte) methodologische Naturalismus in der Ursprungsforschung auf einen philosophischen (ontologischen) Naturalismus hinauslaufe. In Wirklichkeit ist das nicht der Fall. Es ist von Seiten der Evolutionsbiologie, die bei der Erklärung nur natürliche Faktoren akzeptiert, weder möglich noch per se beabsichtigt, einen ontologischen Naturalismus zu beweisen. Umgekehrt ist es ebenso wenig möglich, die Tragweite evolutiver Erklärungen anzuzweifeln, um damit Intelligent Design zu untermauern bzw. um das Scheitern des Naturalismus in der "Ursprungsforschung" zu belegen.

Die Behauptung, es seien "die Merkmale von Produkten geistiger oder nicht-geistiger Verursachung in der Regel sehr verschieden und leicht auseinanderzuhalten" trifft ebenfalls in dieser Form nicht zu. Sie setzt voraus, dass man "Design" an den natürlichen Dingen ablesen könne, so wie man absichtliches Handeln des Menschen (des einzigen intelligenten Designers, von dem wir in der Natur wissen) an Merkmalen seiner Artefakte ablesen kann. Der Mensch ist aber selbst Natur, und sein Handeln ist eine natürliche Ursache u. a. für die Entstehung von Werkzeugen, Häusern, Büchern und Autobahnen. (Dabei ist es unerheblich, ob man den Menschen naturalistisch als Teil des Systems der natürlichen Dinge ansieht, oder ob man eine geistige bzw. transzendente Seite seines Wesens annimmt. In wissenschaftliche Erklärungen kann jedenfalls nur das eingehen, was an seinem Handeln naturförmig ist, und das ist aus jeder vernünftigen Perspektive sehr viel.)

Dass das menschliche Gehirn, die menschliche Psyche, die menschliche Gesellschaft und alles, was sie hervorbringt, von ungeheuerlicher Komplexität ist, führt allerdings dazu, dass Psychologie und Soziologie eigene empirische Wissenschaften sind, die sich auf ihre eigene Systemebene konzentrieren und ihre eigenen Methoden benötigen. Aber psychologische, soziale bzw. technische Einwirkungen im Sinn einer "downward causation" auf die Natur bleiben dennoch empirisch durch Biologie, Geologie, Physik usw. erfassbar. Das sind sie aber nur, weil wir die Biologie, Psychologie und Soziologie des Menschen ebenso wie seine Kultur- und Technikgeschichte kennen. Das ist beim Handeln eines "geistbegabten Schöpfers" nicht der Fall.

Auf die Frage, wie die postulierte Schnittstelle von Natur und Übernatur zu behandeln wäre, gibt es keine sinnvolle methodologische Antwort. Der postulierte Designer ist ebenso unbekannt und unerforschlich wie dessen Wirkungsweisen und Handlungsspielräume. Einer unbestimmten "geistigen Verursachung" kann man beliebige Eigenschaften, Absichten und Interventionen zuschreiben und damit Erklärungen für jedes beliebige Naturphänomen konstruieren. Die Erklärung "Das hat ein Mensch gemacht" ist empirisch prüfbar, weil wir wissen, wie Menschen sich verhalten. Die Erklärung "geistig verursacht" ist empirisch nicht prüfbar, weil sie immer zum Phänomen passend interpretiert werden kann. Die Diskussion um die kreationistische Theologie, um die Plausibilität von Teilhards evolutionärer Theologie, um WHITEHEADs Prozesstheologie, um esoterische Mehrweltenlehren, um Materialismus und Naturalismus, um das Wirken eines "intelligenten Designers" usw. ist theologisch und philosophisch zu führen, nicht mit wissenschaftlichen Pseudoargumenten.

Den Forschungsgegenstand bedenken

Die Argumentationsstrategie von WORT UND WISSEN beruht jedoch nicht nur auf exzentrischen, formal logischen und wissenschaftstheoretischen Voraussetzungen. JUNKER stellt überhöhte methodologische und inhaltliche Anforderungen an eine evolutionsbiologische Erklärung für die Entstehung von Vogelfeder und Vogelflug. Sobald es solche Erklärungen gibt, verlangt er reflexartig weitere Erklärungen auf der nächsttieferen Ebene oder aber experimentelle Beweise für eine erklärende Hypothese. Die Frage, inwieweit der Forschungsgegenstand es überhaupt erlaubt, solche Forderungen zu erfüllen, wird nicht diskutiert.

Das angebliche "nachhaltige Scheitern naturalistischer Entstehungshypothesen" müsste, selbst wenn es so wäre, jedoch nicht an methodischen und theoretischen Defiziten der Evolutionstheorie liegen. Es könnte an der Komplexität des Forschungsgegenstandes selbst liegen, wenn gute Theorien derzeit oder prinzipiell nicht erreichbar oder überprüfbar sind. Das ist sehr oft der Fall. Ein Beispiel ist die Synökologie, die Beschreibung und Erklärung der Beziehungen der Organismen untereinander in einem ökologischen System. Die Veränderungen eines solchen Systems, wenn sich ein Teilsystem verändert (zum Beispiel durch menschliche Eingriffe) sind nur in einfachen Fällen vollständig vorhersehbar und erklärbar.

In aller Regel muss man sich wegen der Komplexität und Dynamik der Systeme mit vereinfachten Modellen begnügen wie mit denen, die derzeit die synökologischen Folgen des Klimawandels zu prognostizieren suchen. Nur Ideologen aus dem Lager der Klimaskeptiker kommen auf die Idee, deshalb die theoretischen Konzepte der Ökologie zu bestreiten. Die Theorie erklärt die Eigenschaften ökologischer Systeme im Allgemeinen, nicht komplexe Einzelabläufe. Diese Eigenschaften sind bei der Konstruktion von vereinfachten Modellen zugrunde zu legen. Ebenso erklären die Konzepte der Evolutionstheorie die Eigenschaften von Evolutionsprozessen im Allgemeinen und erfassen eine Vielzahl von möglichen Abläufen, die dabei beteiligt sind oder sein können.

Modelle für einen einzelnen Prozess, wie die Entwicklung vom Gleitflug zum aktiven Flug, müssen diese Konzepte berücksichtigen. Sie wandeln sich jedoch mit dem Fortschritt des Wissens und sind nur begrenzt testbar, da die verfügbaren Daten begrenzt sind und es bleiben werden: Wir werden niemals komplette, lückenlose Entwicklungsreihen im Fossilbericht vorfinden oder das Selektionsregime eines Coelurosauriers aus der Kreidezeit erforschen können. Dieser Sachverhalt ist also keineswegs einem Versagen der Evolutionsbiologie sondern der Komplexität des Prozesses und der Kargheit verfügbarer Daten geschuldet. JUNKER verlangt von den evolutionsbiologischen Hypothesen Leistungen, die der Forschungsgegenstand nicht hergibt, und die seine Alternative des "intelligenten Designs" ganz bestimmt nicht erbringt. Denn diese Alternative erklärt, wie gesagt, grundsätzlich alles und damit nichts.

Die hier in vier Schritten skizzierte Argumentationsstrategie ist für die Studiengemeinschaft WORT UND WISSEN unverzichtbar. Sie hat keine andere Wahl als die fundamentalistische Evolutions- und Wissenschaftskritik, die von ihr verlangt wird, psychologisch plausibel zu machen, indem sie die Naturwissenschaft (genauer: jenen Teil, den sie als "Ursprungsforschung" einstuft) diskreditiert. Das gilt auch für die vorliegende Arbeit über den Vogelflug. Es ist kein Beitrag zur Naturwissenschaft, noch so große Datenmengen noch so detailliert mit falschen Methoden und vorher schon feststehendem Ziel zu behandeln. Dass eine solche Arbeit in der Forschung ignoriert wird, versteht sich von selbst.




Fußnoten

Autor: Hansjörg Hemminger


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